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(6) Entwicklung von Hypothesen über Wirkzusammenhänge

Mit Hilfe eines Strukturbildes sollen die individuellen Wirkzusammenhänge aufgedeckt werden, die in den Lernsituationen herrschen, für die wir uns bei dem Kind besonders interessieren.

 

Eine allgemeine Diagnose (z.B. das Kind hat AVWS, ADHS, Intelligenzschwäche, Bindungsstörungen) soll das Strukturbild nicht aufzeigen. Vielmehr soll etwas beleuchtet werden, was in dem Fall bisher zu unklar blieb: Dafür beschreibt der Begriff ‘Subjektlogik‘ "ein Paradigma von herausragender pädagogischer Bedeutung. Demnach entspricht jedes Verhalten den inneren (teils unbewussten) Bedürfnissen und Nöten der jungen Menschen sowie ihren Wünschen an die pädagogische Beziehung. Demnach hat Verhalten immer einen ‚guten Grund‘ – was nicht bedeutet, dass jedes Verhalten toleriert werden muss“ (Zimmermann, 2017, S. 8). Bleiben uns die psychologischen Zusammenhänge verborgen, so geraten wir ganz leicht in einen hilflosen Aktionismus, der mit Förderung nichts zu tun hat.

Das Strukturbild drückt die Hypothesen darüber aus, welche inneren und äußeren Faktoren und Zusammenhänge die Lerntätigkeit gegenwärtig beeinträchtigen bzw. Beeintrüächtigungen aufrechterhalten (z.B. Defizite im Vorwissen, Wahrnehmungsbesonderheiten, Entmutigung, geringes Selbstwertgefühl, Über- oder Unterforderung, gestörte Beziehungen oder problematische Handlungs- und Bewältigungsstrategien).

Strukturbild Pia

Strukturbild Michael

Voraussetzungen der Entwicklung eines Bildes der Wirkstruktur:

 

Wenn wir die Zusammenhänge rekonstruieren wollen, aus denen sich bestimmte Kompetenzen, Verhaltensweisen, Lernrückstände oder Blockaden ergeben, benötigen wir innere Ruhe und Achtsamkeit.

 

Das ist ein anderer Modus als jener, in dem wir uns befinden, wenn wir unter aktuellem Handlungsdruck stehen. Dann konzentriert sich unser Aufmerksamkeitskegel nämlich auf das, was jetzt gerade wichtig ist, um das Ziel zu erreichen. Man blendet aus, was das zielgerichtete Handeln stören und verunsichern würde.

 

Für das Erfassen der psychischen Wirkzusammenhänge wäre das keine gute Bedingung. Das Hineinversetzen in die Schülerperspektive gelänge dabei nicht besonders gut. Denn ein solches Unternehmen verlangt ja von uns, dass wir bereit sind, Fragen zu stellen, Unsicherheit zu ertragen, vieles zu berücksichtigen, was im alltäglichen Stress beiseitegeschoben werden musste; ja sogar zu erwägen, ob manches am eigenen Verhalten zu Problemen beitrug.

 

Selbstgewissheit, Rechthaben-Wollen, Ungeduld und Machtanspruch vertragen sich nicht mit dem Hineindenken und Hineinfühlen in einen anderen Menschen. Im Gegenteil, sie machen Resonanz unmöglich.

 
Die Analyse der Wirkzusammenhänge verlangt einen gewissen Aufwand. Überflüssig wäre er, wenn die Ursachen problematischer Lernsituationen bereits auf der Hand liegen. Vielleicht steht eine durchgehende Überforderung des Kindes bereits außer Zweifel. Oder didaktische Fehler sind deutlich geworden. Dann erübrigt sich ein Strukturbild.
Wie können wir das Strukturbild entwickeln?

 

Zum Arbeitsmaterial des Verfahrens gehören 30 Kärtchen, die sich in dem Handbuch "Förderkonzepte - einfühlsam und gelingend" befinden. Im Handbuch wird beschrieben, wie Sie Hypothesen über die Wirkzusammenhänge in Form eines Strukturbildes erarbeiten können.

 

Oder Sie arbeiten ausschließlich mit handgeschriebenen Kärtchen. Fertigen Sie maximal 10 kleine Stichwortzettel an, von denen jeder einen Ursachen- und Bedingungsfaktor (Wirkfaktor) nennt. Als Anregung für eigene Formulierungen können Sie die Stichwortliste zu beeinträchtigenden Wirkfaktoren nutzen.

Für die Anfertigung der maximal 10 Kärtchen werden Sie kaum weniger als 20 Minuten benötigen, denn Sie vertiefen sich in die Perspektiven und Handlungsabläufe des Kindes und in die Wirkung von sozialen Situationen, Lernangeboten, -hilfen und -umgebungen.